Beim Hausbau auch an übermorgen denken

Die Bauwirtschaft boomt. Dank ungebrochener Nachfrage nach neuem Wohnraum und historisch niedriger Bauzinsen werden hierzulande viele Träume vom eigenen Heim wahr. In reinen Wohngebieten werden den Bauherren in der Gestaltung der Fassade in der Regel kaum Grenzen gesetzt. Anders sieht es meist in den Orts- und Stadtkernen aus.

Wer in den vergangenen Wochen einen oder mehrere Weihnachtsmärkte besucht hat oder die Tage zwischen den Jahren zu einer kleinen Städtetour nutzt, dürfte feststellen, was das Auge erfreut. Bevorzugt zieht es Menschen bei solchen Gelegenheiten bewusst in Orte, die ein harmonisches Bild abgeben. Gerade wir Franken bummeln dabei gerne zwischen mittelalterlich anmutenden Häuserzeilen, lassen uns in einem mit kunstvoll verziertem Fachwerk geschmückten Gasthaus verwöhnen und genießen die Atmosphäre der abends heimelig beleuchteten Plätze. Flankiert von jahrhundertealten Kirchen, Burgen oder Schlössern fühlen wir uns als Zeitreisende und danken den Bauherren von damals für ihre langlebigen Investitionen.

Abgesehen von den Prachtbauten des Adels und des Klerus hatten die heute denkmalgeschützten Fachwerkhäuser zu ihrer Zeit kaum die Absicht, als etwas Besonderes wahrgenommen zu werden, geschweige denn Jahrhunderte später als bevorzugtes Fotoobjekt Karriere im Internet zu machen. Die Bauten aus Holz, Stroh und Lehm waren vielmehr die Billigvariante gegenüber den damals viel teureren Steinhäusern.

Welchen Schatz eine ansehnlich gepflegte Altbausubstanz für kommende Generationen darstellt, erkannten Stadtplaner bereits im 19. Jahrhundert. In der Epoche des Historismus, die von etwa 1850 bis zum Ersten Weltkrieg dauerte, wurden gezielt klassische Baustile von der Romanik bis zur Renaissance wiederbelebt und miteinander kombiniert. Als letzte Blüten dieser Epoche stehen Jugendstilhäuser heute für den Abschluss der “guten alten Zeit”.

Nach 1945 standen die Verantwortlichen der von Krieg zerstörten Siedlungen nicht nur vor großen Trümmerhaufen, sondern auch vor der Frage, wie die Städte zukünftig aussehen sollten. Während manche voll auf die Moderne setzten und – wie etwa Hannover – so gut wie keine Rücksicht auf alte Stadtbilder und Straßenführungen nahmen, entschieden sich andere für die weitgehende Rekonstruktion historischer Vorbilder.

Wir Mittelfranken sind mehrheitlich unendlich dankbar, dass unsere Metropole Nürnberg wieder ihr mittelalterliches Gesicht bekommen hat. Die immensen Mehrkosten gegenüber einer reinen Zweckbebauung dürften sich schon lange mehr als amortisiert haben, dem Tourismus sei dank.

Welcher Schatz in touristischer Attraktivität liegt, lässt sich am besten an den königlichen Bauten Ludwigs II. ablesen. Hatte der bayerische Lieblingskönig vor anderthalb Jahrhunderten mit seinen Bauprojekten den Staat fast in den Ruin getrieben, zählen diese seit Jahrzehnten zu den weißblauen Goldgruben, allen voran Schloss Neuschwanstein.

Städte, die ihren architektonischen Schatz den nachfolgenden Generationen als Kulturgut aufbereiten und präsentieren, dürfen auf die Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste hoffen. Dies kommt einem Ritterschlag gleich, sichert Fördergelder und Menschenströme. Dabei eilen nicht nur Reisegruppen und Nostalgiker herbei, sondern auch die wachsende Gruppe der Travelblogger. Das ist Zukunftssicherung durch Altbausubstanz.

In manchen Innenstädten, die nach dem letzten Krieg großflächig Reste ihrer zerbombten historischen Quartiere entfernen ließen und stattdessen gesichtslose Zweckbauten genehmigten, traut man sich, die historischen Straßenzüge und Plätze zu rekonstruieren. Ähnlich wie in Filmstudios kommt es dabei nur auf die Kulissen an. Der Rest hat mit den ursprünglichen Häusern nichts gemein. Beispiele hierfür finden sich etwa in Dresden rund um die Frauenkirche oder in Frankfurt auf dem Römerberg.

Ob solche Projekte langfristig zum gewünschten Erfolg führen, hängt von vielen Faktoren ab. Erst wenn sich das Leben hinter den Kulissen eingenistet und sich daraus eine Heimat entwickelt hat, dürfen sich die Planer zufrieden auf die Schultern klopfen.

Damit Hausbesitzer so gut wie keine Möglichkeit besitzen, das Gesamtbild zu stören, entwarfen zahlreiche Kommunen u.a. Leitfäden zur Fassadengestaltung. Was mancher als Eingriff in die persönliche Freiheit empfinden mag, macht aus städtebaulicher Sicht durchaus Sinn. Wenn Kommunen und ggf. Denkmalschutzämter ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Hausoptik besitzen, sollten die Eigentümer im Gegenzug mit höheren Immobilienwerten belohnt werden.

Der Bau eines Hauses wirkt fast immer über das Grundstück hinaus. Dies gilt sowohl räumlich als auch zeitlich. Als Handwerker vom Fach unterstützen wir Sie sowohl beim trendigen Neubau als auch bei der behutsamen Sanierung und Rekonstruktion von Altbauten, in denen sich auch Ihre Urenkel noch wohl fühlen werden.

Foto: Der rekunstruierte Hühnermarkt als Teil des Dom-Römer-Projekts in der Frankfurter Altstadt; von Simsalabimbam, CC BY-SA 4.0

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