Der Traum vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Seit geraumer Zeit vermeldet die deutsche Bauwirtschaft – aus bekannten Gründen (Preis- und Zinsentwicklung, schlechte Renditeaussichten u.v.m.) – Auftragsrückgänge im Wohnbau, obwohl vor allem in Ballungsräumen immer mehr Wohnungen benötigt werden.

Etliche unter den Unternehmerkollegen schauen, dass sie ihre Belegschaften zusammenhalten, bis unter der neuen Regierung endlich die zukünftigen Rahmen- und Förderbedingungen formuliert werden. Alle, Auftraggeber wie Auftragnehmer, warten darauf, benötigen Planungssicherheit und Impulse. Am Kapital soll es ja in den nächsten Jahren nicht liegen…

Wie sieht es eigentlich anderswo aus? Gebaut wird ja offensichtlich (fast) überall auf der Welt.

Jüngst gab es Neuigkeiten aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo die Bauträume gerne mal bis in den Himmel reichen. Nein, nicht die USA, sondern gemeint ist: Saudi-Arabien. Mit der „Saudi Vision 2030“ will sich der Golfstaat auf die Zeit nach dem Öl vorbereiten. Die nach wie vor sprudelnden Petro-Dollars sollen in spektakuläre Projekte investiert werden, die wiederum Interessenten aus aller Welt anlocken sollen. Bestes Beispiel, dass die Rechnung aufgehen kann, ist Dubai.

Aus einer Vielzahl von Einzelprojekten ragen zwei heraus, im wahrsten Sinne des Wortes. Eines ist der Jeddah Tower. Mit einer Höhe von mehr als einem Kilometer soll er bald das höchste Gebäude der Welt sein. Aktueller Stand: Die Bauarbeiten wurden im Jahr 2018 bei einer erreichten Höhe von 256 Metern eingestellt. Wann es weitergehen soll: fraglich!

Projekt Nummer 2 heißt „The Line“ und ist Teil der utopisch anmutenden Zukunftsstadt Neom, ein riesiges Bauprojekt in der Wüste im Nordwesten des Landes. „The Line“ besteht aus einer sogenannten Bandstadt in Form eines liegenden Wolkenkratzers mit einer Länge von unglaublichen 170 Kilometern, einer Höhe von 500 und einer Breite von 200 Metern. Bei Fertigstellung sollen hier etwa 9 Mio. Menschen leben können – vollkommen energieautark und nachhaltig.

Auf der mit einer Gesamtfläche von 26.500 qkm aktuell größten Baustelle der Welt wird tatsächlich gearbeitet, wobei man hinter den ursprünglichen Plänen, das ultramoderne Projekt bis zum Jahr 2045 fertigzustellen, weit hinterherhinkt.

So haben die Planer die Ziele zurückgeschraubt und streben als nächste Zielmarke die Fertigstellung von etwa 2,4 der 170 Kilometer bis 2030 an. Abgeschlossen werden könnte „The Line“ schließlich im Jahr 2080. Geschätzter Kostenpunkt: 8,8 Bio. US-Dollar.

Einer der Knackpunkte sind auch hier – wie könnte es anders sein – die Bauarbeiter. Etwa 140.000 sollen es sein. Es kursieren Meldungen von Ausbeutungen, moderner Sklavenhaltung und zahlreichen Todesfällen.

Was könnten wir mit 140.000 zusätzlichen Fachkräften in unserem Land alles auf die Beine stellen? Mit Arbeitsschutz, anständiger Bezahlung und geregelten Arbeitszeiten! Der Wohnungsmarkt würde sich entspannen, Wirtschaft, Politik und alle anderen ebenfalls.

Man wird ja wohl noch träumen dürfen…

Foto: Jeddah Tower (2016), von Ammar Shaker – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0

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