Baustoff Plastikmüll – warum nicht?

Menschlicher Einfallsreichtum kennt keine Grenzen. Besonders dort, wo Lieferengpässe und/oder gravierende Preissteigerungen die Planungen über den Haufen werfen, ist er besonders gefragt.

Der Bausektor zählt eindeutig zu den aktuell betroffenen Branchen. Deshalb lohnt sich ab und zu der Blick über den Tellerrand – oder über die Landesgrenzen – um zu sehen, wie Problemlösungen weit abseits der Bayerischen Bauordnung aussehen.

Es geht also wieder einmal um Baustoffe. Wenn weder Ziegel noch Holz noch Beton infrage kommen, weil sie entweder knapp oder zu teuer sind, bieten sich Materialien an, die ausreichend verfügbar sind. Deshalb bauen findige Menschen in strukturschwachen Ländern mit dem, was sie haben oder geschenkt bekommen.

So baut das gemeinnützige junge Unternehmen Project Wings gGmbH mit Sitz in Koblenz seit wenigen Jahren mit Spendengeldern in Indonesien ein komplettes Dorf aus Plastikmüll. Als Baumaterial werden sogenannte Ecobricks verwendet. Deren Kerne bestehen aus Plastikflaschen, die mit weiterem Plastikmüll kompakt gefüllt sind. Ummantelt sind die je ca. 500 Gramm schweren Flaschen komplett mit Lehm, sodass der Plastikmüll nach außen unsichtbar ist.

Die Gebäude erweisen sich als stabil und robust, allerdings als aufwändig in der Herstellung, da die Befüllung der Flaschen reine Handarbeit ist. Somit eignet sich diese Bauweise zwar als nachhaltiges Projekt für Idealisten, jedoch eher nicht für den großformatigen städtischen Wohnungsbau.

Das Dorf auf Sumatra ist nicht das einzige Projekt, das Ecobricks zum Bauen verwendet. In Südafrika etwa entstand so etwa eine Schule aus Plastikmüll. Die Vorteile dieser Methode liegen vor allem darin, den Menschen einen Weg zu zeigen, Kunststoffabfall als wertvollen Rohstoff zu betrachten und damit die Umwelt zu entmüllen.

Anstatt die Plastikflaschen mit weiteren Verpackungen zu füllen, kann man sie auch so zum Bauen verwenden. Im Dschungel von Panama baut der kanadische Unternehmer Robert Bezeau seit 2015 das „Plastic Bottle Village“ aus Metallgitterboxen, die mit verschlossenen Plastikflaschen gefüllt sind. Die darin befindliche Luft besitzt sehr gute Dämmwerte. Die Außenwände und Zwischenräume werden mit Beton verfüllt bzw. verkleidet, womit auch hier der Plastikmüll nach außen unsichtbar eingeschlossen ist.

Baumaterialien aus Recyclingmaterial sind auch hierzulande eine Alternative, wenngleich PET-Flaschen wohl nicht infragekommen. Schließlich wandern diese bei uns in die Pfandbehälter und sollen geschreddert und anschließend als Grundmaterial für neue Produkte dienen. Eigentlich.

Wir werden sehen, was unserem Einfallsreichtum entspringt. Damit bauen wir dann.

Foto: Bregenz, Vorarlberg-Museum, Fassadendetail: mit Hilfe von PET-Flaschenböden erstelltes Ornament; Bildnachweis: Andreas Praefcke – eigenes Werk

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